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Joe und der Menschenwelpe     

Eine Freundin war mit ihrer ¾ Jahre alten Tochter zum Kaffee bei uns zu Besuch.

Die Kleine  hatte gerade zuhause an ihrem eigenen Hund entdeckt, dass es ganz viel Spaß macht, so einem Vierbeiner Leckerle zu verfüttern.

 

Also versuchte sie, von Mamas Knie aus den friedlich unter dem Tisch liegenden Joe quietschend auf sich aufmerksam zu machen. Zunächst stellte Joe sich schlafend, anscheinend war ihm dieser seltsame Töne von sich gebende „Menschenwelpe" nicht so ganz geheuer. Aber als sich die kleine Sabrina ganz doll anstrengte und es ihr tatsächlich gelang, ein paar Kekskrümel  auf den Boden zu befördern, musste er seinem Ruf als Staubsauger doch nachkommen und den Fußboden wieder säubern. Er verstand offensichtlich, dass die Kleine furchtbar gerne mit ihm Kontakt aufnehmen wollte, und blieb nach der erfolgreichen Säuberungsaktion erwartungsvoll vor ihr sitzen. Sofort nahm Sabrina das nächste Stückchen Keks , das ihre Muter für sie leicht erreichbar auf den Tisch gelegt hatte in ihre kleine Faust. Die schwenkte sie dann gurrend vor seiner großen Nase. Ratlos schaute Joe um sich : das Baby wusste wohl noch nicht, dass sie den Keks dann auch loslassen musste, damit er ihn fressen konnte. Aber sie forderte ihn doch so lieb auf, ihr Geschenk anzunehmen ! Es wäre einfach zu unhöflich, sich jetzt wieder unter den Tisch zurückzuziehen, die Kleine wäre dann bestimmt ziemlich enttäuscht... Also fand er eine Lösung: er setzte sich auf die Hinterfüße, stützte sich mit einer Pfote ganz leicht an Mamas Knie ab – und der halbe kleine Arm samt Faust mit dem eingeschlossenen Keks verschwand in seinem Rachen.

Meine Freundin und ich hielten die Luft an. Er wird ihr doch nicht weh tun ?

Aber Sabrina quietschte entzückt weiter, das war genau das, was sie gewollt hatte !

Joe hatte den Fang gerade so fest um ihren kleinen Arm gelegt, das er den Keks in der Faust aufweichen und heraussaugen konnte, man konnte an seinem besorgten Gesicht und an den pumpenden Bewegungen seiner Lefzen gut sehen, dass das nicht so leicht war ! Als er es dann geschafft hatte, leckte er den klitzekleinen Arm von Sabrina auch noch gründlich sauber, was diese zu einem weiteren quietschenden Freudenausbruch veranlasste.

Dann zog er sich seufzend wieder auf seinen Platz unter dem Tisch zurück.

Offensichtlich war er zu der Erkenntnis gelangt, dass der Umgang mit Menschenwelpen in diesem Entwicklungsstadium nicht so einfach und auch ziemlich anstrengend ist.

                                                                                                                                                                                                  © A. Kreusch '99

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