Herding-Weekends in Uden

 

Die beiden von Marij und John Dejong organisierten Veranstaltungen fanden in einem großen Reitsportzentrum in Uden, einer Stadt im „Süden" Hollands statt (der Weg dorthin war also auch für deutsche ACD- Freunde nicht zu weit...).

Die DeJong´s bewältigten einen wahren Organisations - Marathon mit Hilfe ihrer holländischen Freunde mit Bravour: sie koordinierten Termine mit den Besitzern des Geländes und dem amerikanischen Seminarleiter, sie „beschafften" das nötige „Übungsmaterial" (Schafe bzw. Rinder) zum richtigen Zeitpunkt, sie kümmerten sich mit ihren Helfern um die Versorgung der ausgeliehenen Tiere und um deren Transport, es wurden Pfähle und Weidezaun und für das zweite Seminar stabile Metallgatterteile besorgt, sie kümmerten sich um die Unterkunft des Seminarleiters und der -teilnehmer, sie kauften ein und kochten und und ....und es hat alles ganz toll geklappt ! (Danke, Marij und John!)

Beide Seminare wurden von Larry Painter aus Cleveland/Missouri geleitet. Beim zweiten Seminar im März hatte er seinen Cattle Dog Syd dabei, einen 3-fachen US National Herding Winner. Larry und seine Frau Marilyn besitzen eine Ranch mit Pferden, Schafen, Ziegen und Rindern, sie züchten Cattle Dogs (Kuawarri Kennel).

„Herding" betreibt Larry zwar auch als Arbeitsform auf seiner Ranch, auf der seine Hunde bei der Arbeit mit den Rindern und Schafen eingesetzt werden, aber eigentlich ist es für ihn sicher mehr ein bis zur Perfektion betriebener Hundesport, sozusagen seine „Passion".

Und hier gibt es schon die ersten Diskrepanzen zwischen der Vorstellung, die ein unbedarfter Europäer von Herding als Fun-Veranstaltung für ACD´s hat, bei der der Hund mal so richtig aufdrehen darf und seine „Ambitionen" befriedigen, und der tatsächlichen Ausbildung zum perfekten Herding-Dog : an erster Stelle steht dabei nämlich die Kontrolle über den Hund.

Der Hund soll ja gerade nicht lustig drauflos beißen, Schafe und Rinder sind teuer und Tierarztkosten sind überall hoch. Und bei der Arbeit mit Rindern kann eine durch einen unkontrollierten Hund ausgelöste Panik für den Rancher sehr unangenehme Folgen haben !

Ganz davon abgesehen : Schafe und Rinder sind Lebewesen. Womit will man rechtfertigen, dass man Hunde auf sie loslässt, um sie ihrer „Ambitionen" wegen in die Fersen zu beißen...?

Also : das erste was der Hund lernen muss, ist, nur im „Notfall" zu beißen und solche Aktionen sofort zu stoppen, wenn der Befehl dazu kommt.

Ein perfekt ausgebildeter Herding-Dog reagiert auf kleine Handzeichen und auf Pfiffe genauso schnell und sicher wie auf leise gesprochene Befehle. Und solche Befehle gibt es während der Arbeit mehr als genug. Hund und Handler stehen ständig in Kontakt miteinander, der Handler kontrolliert die Herde mittels eines perfekt „gesteuerten" Hundes. Der Hund kann z.B. auf Befehl die Rinder einholen, sie auf eine Seite treiben, sie vor oder hinter den Handler treiben, sie in den Penn bringen oder aus dem Penn treiben, sie auf einer Stelle zusammenhalten , einzelne Rinder zur Herde zurückholen ohne das der Rest den Herdenzusammenhalt verliert und natürlich jede Aktion sofort unterbrechen, wenn es der Handler für nötig hält. Der Hund muss also gleichermaßen selbstbewusst, stark und „triebig" als auch sensibel und führig sein.

Larry Painter und sein Hund Syd sind ein Team, das Rinderherden sozusagen zum „Quadrille tanzen" bringen kann. Dabei weiß Syd immer genau, wo seine Grenzen gesteckt sind, wie viel seiner ACD-Power Larry ihm im Moment erlaubt auf die Rinder loszulassen, er überschreitet diese Grenzen nur sehr selten und mit offensichtlich schlechtem Gewissen !

Für uns „normale" europäische Cattle Dog –Besitzer waren die Vorführungen der beiden in der Reithalle von Uden –bei denen wir praktisch mittendrin im Geschehen standen- faszinierende Erlebnisse, allein wegen dieser Minuten war die Teilnahme an diesem Seminar schon gerechtfertigt. Allerdings ist uns auch klar geworden, dass der Weg bis hin zu solcher Perfektion lang und schwierig ist, und das man ihn ohne regelmäßiges hartes Training nicht bewältigen kann. So etwas kann man sicher nicht auf ein paar wenigen Seminaren lernen.

Wieso veranstaltet oder besucht man dann solche Seminare überhaupt ?Ich kann diese Frage nur für mich beantworten:

Mich persönlich hat einfach interessiert, wie viel von dem legendären „cowsense" der arbeitswütigen Vorfahren unserer Hunde noch in meiner kleinen Ayla steckt. (Ihr erinnert Euch doch sicher an Ayla?) Stimmt es wirklich, dass diese kleinen Hunde es im Blut haben, mit so großen Tieren wie Rindern –vor denen ich eigentlich Angst habe- instinktiv so umzugehen, dass diese „Riesen" Respekt vor ihnen haben ?

Und das jedenfalls habe ich gelernt auf den Seminaren : zumindest für Ayla stimmt das tatsächlich ! Dabei war ich darüber wirklich erstaunt. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, ein „Ayla-mäßiges" Fiasko zu erleben: ich stellte mir vor, wie sie entweder -unkonzentriert und spielwütig wie immer- Larry, mich, die Schafe und die Rinder zur Verzweiflung bringen würde oder wie sie sich hilfesuchend und verstört hinter mir vor den bösen großen Tieren verstecken würde. Für die beiden Fälle hatte ich mir vorgenommen, es dann eben bei dem einen Herding-Versuch zu belassen, wieso sollte ich dann das Vieh und Ayla gleichermaßen quälen, nur um zu beweisen, dass sie doch ein Cattle Dog ist...

Aber nichts von beidem passierte. Ayla blieb relativ ruhig im Umgang mit dem Vieh. Beim ersten Seminar fand sie zwar die Schafe etwas unheimlich und wandte jedes Mal den Kopf ab, wenn wir außerhalb des Penn an ihnen vorbei mussten, aber im Penn hatte sie ganz schnell begriffen, was zu tun war. Sie stapfte tapfer hinter ihnen her, und wenn sie stehen bleiben wollten, zwickte sie die Tiere zart in die Fersen (außerdem hatte sie gleich herausgefunden, das aus den rennenden weißen Wollknäueln ganz leckeres grünes Zeug herauskam....).

Beim zweiten Seminar, bei dem ich mich von Marilyn Painter überzeugen ließ, das die Arbeit mit den Rindern nicht wesentlich gefährlicher für die Hunde (und für mich!) sei, da Larry schon acht geben würde das uns nichts passiert, war es noch augenfälliger: anders als noch bei den Schafen war sich Ayla jetzt offensichtlich von Anfang an ihrer Stärke bewusst. Sie hatte es nicht mehr nötig, den Blickkontakt mit den Rindern zu vermeiden, im Gegenteil, sie übte sogar Druck auf die Kühe aus, indem sie diese so lange ansah, bis sie zurückwichen und weitergingen. Auch beim Treiben fand sie schnell ihren eigenen Rhythmus und passte die Stärke ihrer „Zwickaktionen" gut dem Widerstand an, den sie bewältigen sollten. Normalerweise fasste sie nur ganz zart zu, gerade so, das die Rinder zum Weitergehen animiert wurden. Wenn die Viecher aber stur stehen bleiben wollten, wusste sie auch was sie zu tun hatte...

Und zu meiner größten Verwunderung „arbeitete" sie ganz ruhig, ohne viel Gebell und Gekeife. So als würde sie das schon immer machen...

Larry musste auch kaum seinen Grasrechen einsetzen, um sie von überzogenen Aktionen zurückzuhalten, sie hatte seltsamerweise ganz schnell begriffen, das sie im Penn ausnahmsweise tun sollte, was ich ihr sagte....

Die einzige im Penn, die Probleme hatte, war ich. Zum einen war es nicht einfach, in dieser für mich völlig ungewöhnlichen Situation (wann hatte ich „Stadtmensch" je vorher Schafe oder Rinder so nah und nicht angebunden oder eingezäunt gesehen ?!) Ayla, die vielen anderen Tiere, die Hundeleine, den Grasrechen, Larry und auch noch mich zu koordinieren. Sogar eine simple Wendeaktion am Rand des Penn wurde zu einer größeren Schwierigkeit !

Zum anderen musste ich während der ganzen Aktionen ja auch noch Larry‘s amerikanischen Anweisungen folgen. Aber Larry gab sich wirklich sehr viel Mühe: ruhig und geduldig erklärte er zum tausendsten Mal, was ich tun sollte. Sein: „Okay, she is doing fine! Let her go!" in den Momenten, wenn ich gerade dachte „oh Gott, was macht sie jetzt schon wieder?" klingt mir immer noch in den Ohren.

„Walk nice and easy!", „You know where your dog is, she is watching the Cattle! Don‘t look at her! Look at the livestock!"

Ich konnte meist gar nicht fassen, das es stimmte: ich brauchte dabei gar nicht auf Ayla aufzupassen, sie passte ganz gut auf sich selbst und auf die Rinder auf !

Für mich waren diese beiden Seminare sehr schöne Erlebnisse, die mich zwar nicht zum Herding-Spezialisten gemacht haben, bei denen ich aber viel über meinen Hund lernen konnte.

Allerdings konnte ich als Zuschauer am Rande des Penn auch andere Szenen erleben .

Da gab es zum Beispiel die enttäuschten Hundebesitzer, die nicht verstehen konnten, warum ihr Hund jetzt, wo es ihm ausnahmsweise einmal erlaubt wurde zu den Schafen zu gehen, nichts mit denen anfangen wollte. Oder die, die bis dahin immer gedacht hatten, ihr Hund sei ein selbstbewusster Raufbold, und die jetzt sehen mussten, dass es ihm im Penn gar nicht so wohl war, zusammen mit diesen großen Tieren.

Oder auch die Hundebesitzer, die einfach nicht glauben wollten, das ausgerechnet ihr Treibhund Angst vor Schafen hat...oder einfach gar keine Lust, sich mit solchem Viehzeug zu beschäftigen...

Dabei ist in vielen dieser Fälle eigentlich das gleiche Grundproblem nur nicht erkannt worden :

wie soll ein Hund, der während seiner ganzen Erziehung seinen –vielleicht ursprünglich veranlagten- Treibinstinkt verboten bekommt, weil er eben in der Gegend, in der wir leben, unerwünscht ist, innerhalb eines Tages lernen, das er jetzt doch den Schafen hinterherlaufen darf ?

Aber auch andere Vorkommnisse machten nachdenklich: da waren auch die angeblichen „Power-Hunde", die von ihren Besitzern nicht daran gehindert werden konnten, sich mal so richtig auszutoben und zuzubeißen.

Was tut man als Seminarleiter mit solchen Problemfällen ? Eigentlich müsste man doch sagen: ihr habt nette Hunde, aber arbeitet etwas anderes mit ihnen. Aber diese Leute haben auch ihre „Lehrstunde" bezahlt. Soll man die Schafe anbinden, damit der Hund keine Angst mehr vor ihnen zu haben braucht ? Muss man es eben in Kauf nehmen, wenn der Hundehalter seinen Hund nicht in den Griff bekommt und er die Schafe blutig beißt ? Wie weit soll man gehen, wenn man weiß, diese Leute und ihre Hunde werden nie wirklich Schafe treiben ? Schafe haben ja auch Angst und sind sogar relativ anfällig für Panikattacken...

Die Verantwortung liegt hier allein beim Hundebesitzer : jeder, der einen solchen „Herding-Versuch" macht, sollte sich selbst fragen, wie weit er zu seinem Vergnügen gehen will. Hier liegt meiner Ansicht nach eben ein großer Unterschied zu allen bei uns betriebenen Hundesportarten : man „arbeitet" mit lebendem „Material", für das man die Verantwortung trägt (ein Schutzdiensthelfer kann immer selbst sagen, wenn er genug von der Sache hat, die Schafe oder Kühe sind darauf angewiesen, dass wir sie schützen...). Den Begriff „arbeiten" habe ich deshalb in Anführungszeichen gesetzt, weil wir alle –oder jedenfalls die allermeisten von uns- diese Treibhundfähigkeiten unserer Hunde niemals wirklich als „Arbeit" von ihnen verlangen müssen. Es geht uns dabei eigentlich lediglich ums „Vergnügen"...

Dieses Vergnügen muss auf jeden Fall hinter dem Gedanken an den Tierschutz zurückstehen können. Herding-Seminare für ACDs sollten nur von wirklich kompetenten Ausbildern –möglichst mit Cattle Dog Erfahrung- geleitet werden, die unsere Hunde an der Stelle, an der wir in Konflikt mit dem Tierschutzgesetz kommen, stoppen können.

Und jeder ACD-Besitzer sollte sich vor der Teilnahme an einem solchen Seminar fragen, ob er es wirklich will und gebrauchen kann, das sein Hund seine Herding-Veranlagung „hervorkramt", oder ob er nicht eigentlich doch ganz zufrieden ist, wenn sein Hund von den „Schäfchen" am Wegesrand nicht zu Treibeskapaden animiert wird.

Es gibt schließlich auch jede Menge „Nicht-Jäger", die glücklich mit ihrem Jagdhund sind und jede Menge „Nicht-Schäfer" die gerne mit ihrem belgischen, französischen oder deutschen Schäferhund zusammenleben. Warum sollte es also nicht auch zwischen einem „Nicht-Farmer" und einem Cattle Dog gut gehen, wenn er ihm genügend Beschäftigungsmöglichkeiten bietet ?

                                                                                                               © A. Kreusch '99

        zu den Herding-Bildern !

 

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